Interview mit Florian Ostermaier, einem von zwei Betreuern des deutschen Teams, das Ende Juli am sogenannten Physik-Weltcup teilnehmen wird
Teheran, Seoul, Brisbane, Wien – und in diesem Jahr Bad Saulgau. Zum ersten Mal wird Ende Juli in der oberschwäbischen Kurstadt der so genannte Physik-Weltcup, das International Young Physicists‘ Tournament (IYPT), ausgetragen. Während des einwöchigen Wettbewerbs, der als weltweit anspruchsvollster Physik-Wettbewerb für Schüler gilt, müssen die Teilnehmer 17 vorab gelöste Forschungsaufgaben auf Englisch präsentieren und in einem rhetorischen Wettstreit gegen konkurrierende Teams aus 28 Ländern verteidigen.
Die Vorbereitungen der Teilnehmer dauern mehrere Monate und haben längst begonnen. Schon während des Auswahlverfahrens haben sich die Nachwuchsforscher regelmäßig am Ulmer Standort des Schülerforschungszentrums Südwürttemberg (SFZ®), Bad Saulgau, getroffen. Ende Mai wurde das fünfköpfige deutsche Team mit zwei Schülern aus Kassel sowie je einem Schüler aus Erlangen, Lörrach und Biberach nominiert. Betreut wird das Team von zwei Physik-Studenten – Florian Ostermaier von der Uni Ulm und Björn Miksch von der Uni Stuttgart. Beide gehörten vor einigen Jahren selbst zur deutschen Mannschaft und waren in Kroatien, Österreich und im Iran mit dabei. Wir haben Florian Ostermaier (23), der gebürtig aus dem Landkreis Sigmaringen kommt und das Gymnasium Wilhelmsdorf besucht hat, zum Wettbewerb befragt.
Seit wann laufen die Vorbereitungen für den Physik-Weltcup?
FO: Die Vorbereitungen für den Weltcup beginnen unmittelbar nach dem Ende des vorhergehenden Wettbewerbes. Dort werden neue Probleme ausgewählt und den teilnehmenden Ländern mitgegeben. Immer sind Aufgaben dabei, die unlösbar erscheinen. Deshalb wird natürlich sofort ausprobiert, was möglich ist. Nach einer Einspruchsfrist von etwa einem Monat werden dann 17 Aufgaben im Internet veröffentlicht.
Wie häufig trefft Ihr Euch im Moment?
FO: Wir haben ein Wochenende hinter uns, Anfang Juli treffen wir uns für eine komplette Woche und dann nochmal für drei weitere Tage, an denen wir ausschließlich an den Präsentationen feilen. Einige Teammitglieder treffen sich auch außerhalb dieser Termine. Viel läuft natürlich auch über E-Mails, etwa zum Stand der Projekte, aber auch zu komplexen Software-Fragen.
Es müssen 17 Forschungsaufgaben gelöst werden. Scheitert man da auch manchmal und weiß einfach nicht weiter? FO: Natürlich funktionieren einige Dinge anfangs nicht. Dann muss man sich nach geeigneten Gerätschaften umsehen oder den ein anderen an einer Uni oder bei einem Unternehmen fragen. Die erkennen meist sehr schnell, wo es hakt. Nach den Wettbewerbsregeln sind ausdrücklich alle denkbaren Hilfen erlaubt.
Wie viel Arbeit wartet noch auf Euch?
FO: Zunächst müssen jetzt in kürzester Zeit alle Experimente bearbeitet wer- den, die bisher auf die lange Bank geschoben wurden, weil sie noch nicht funktionierten. Außerdem müssen wir den Zeitplan für jedes einzelne Projekt immer wieder überprüfen und entscheiden, was unbedingt noch getan werden muss. In den letzten Wochen besteht die Hauptaufgabe dann darin, die Messergebnisse in Präsentationen umzusetzen, was uns Betreuern oft leichter fällt als den Schülern, da wir die Projekte mit einem gewissen Abstand betrachten. Manchmal verzweifeln wir aber auch daran, weil bestimmte Zusammenhänge mit unseren Mitteln schlicht nicht beweisbar sind.
15 Kandidaten aus mehreren Bundesländern hatten sich beworben, fünf wurden genommen. Wie wurden die fünf ausgewählt?
FO: Für die Teamauswahl veranstalten wir über das Schuljahr verteilt vier Auswahlseminare, bei denen die Schüler ihre Projekte vorstellen. Entscheidend für die endgültige Auswahl ist zum einen die fachliche Qualität der bearbeiteten Projekte und der Fortschritt der Arbeit, zum anderen spielt die Präsentation natürlich eine große Rolle, da sie ein elementarer Bestandteil des Wettbewerbs ist. Außerdem müssen alle Kandidaten über gute Englischkenntnisse verfügen, da dies die Wettbewerbssprache ist.
Wo liegen die größten Schwierigkeiten der Aufgaben? In der Theorie, in der Praxis, in der Präsentation?
FO: Von allem etwas. Viele Projekte sind theoretisch nicht lösbar oder funktionieren im Labor nicht auf Anhieb. Manche Experimente funktionieren in Deutschland schlechter als beispielsweise bei tropischen Temperaturen in Nigeria. Wir hatten auch schon Probleme, bei denen die Theorie derart kom- plex war, dass sie schlicht nicht in einen zwölfminütigen Vortrag passte. Dann müssen wir nach einer einfachen Lösung suchen, die von Gegnern und Juroren verstanden wird.
Wie haltet Ihr die Kandidaten bei der Stange, denn die Vorbereitung dau- ert mehrere Monate? FO: Das ist weniger Arbeit, als man vermuten könnte. Schüler, die bei der IYPT-Vorbereitung mitmachen, bringen meistens schon Erfahrungen von „Jugend forscht“ oder ähnlichen Wettbewerben mit. Dort ist die Vorbereitungszeit deutlich kürzer, aber auch hier muss man sich am Ende vor einer Jury beweisen. Physikern wird allgemein eine hohe Frustrationstoleranz nachgesagt, die auch bei diesem Wettbewerb gefordert wird.
Sie selbst haben 2008 mit dem deutschen Team in Split Gold geholt. Was können Sie aus eigener Erfahrung weitergeben ans jetzige Team?
FO: Außer meinen Physikkenntnissen vor allem ein paar taktische Dinge, die entscheidend sein können. Beispielsweise überlegt man sich für jedes Land neu, welches Projekt der Gegner beim „physics fight“, also dem verbalen Wettstreit, vorstellen soll. Außerdem müssen die Präsentationen für alle Juroren verständlich sein, damit die Wertung gut ausfällt. Schülern ist das oft nicht bewusst.
Deutschland hat den Physik-Weltcup bereits sechsmal gewonnen und gehört damit zu den Favoriten. Wo lauert die stärkste Konkurrenz?
FO: Die Stärke eines Teams hängt sehr davon ab, welchen Stellenwert das Turnier im jeweiligen Land hat. Beim Vorjahressieger Korea beispielsweise werden zwei Drittel aller High Schools angeschrieben. Mitfavorit Österreich veranstaltet vorab eine nationale Vorrunde, bei der das Team ausgewählt wird. Dass Deutschland auch bei nur 15 Bewerbern wie in diesem Jahr eine Favoritenrolle einnimmt, ist den Schülerforschungszentren zu verdanken, die interessierte Jugendliche gigantisch fördern.
Was haben Sie selbst aus der Teilnahme in Split mitgenommen?
FO: Man gewinnt vor allem neue Freunde aus der ganzen Welt. Allein dafür lohnt sich die Teilnahme. Aber man kann auch alles lernen, was man später im Studium und im Beruf braucht: Literaturrecherche, Entwickeln und verständliche Darstellung von Experimenten und natürlich das wissenschaftliche Streitgespräch.